19.4.2023 – 11.3.2024

The Struggle of Memory – Sammlung Deutsche Bank

„Will man Völker liquidieren … nimmt man ihnen zuerst das Gedächtnis. Man vernichtet ihre Bücher, ihre Bildung, ihre Geschichte. Und irgendwer schreibt ihnen andere Bücher, gibt ihnen eine andere Bildung und erfindet ihnen eine neue Geschichte. Das Volk beginnt langsam zu vergessen, was es war und was es ist. Die Welt rundum vergißt es noch schneller.“ 
– Milan Kundera, Das Buch vom Lachen und Vergessen, 1980

Gesellschaften brauchen Kontinuität und den Bezug zur Vergangenheit. Nur so lässt sich gesellschaftlicher Zusammenhalt bewahren. Menschen müssen wissen, woher sie kommen, um mit der Gegenwart und den Herausforderungen der Zukunft umgehen zu können.

Zu den verheerendsten Folgen des Sklavenhandels und des europäischen Kolonialismus in Afrika gehören die Entwertung und Zerstörung der vorkolonialen Geschichte und Kultur. Die afrikanischen Artefakte in den westlichen Museen stehen nicht nur für den Raub von Menschen und materiellem Erbe, der in den kolonisierten Ländern begangen wurde. Sie stehen auch für die rücksichtslose Unterwerfung, Aushöhlung und Zersetzung von Kultur. Restitution ist nur ein Schritt auf einem langen Weg, auf dem es darum geht, Erinnerungen zu rekonstruieren, kulturelle Identität nicht nur wiederherzustellen, sondern neu zu erfinden. Künstler*innen gehen dabei neue, andere Wege. Sie arbeiten sich durch Familienarchive, graben individuelle Geschichten und fast vergessene Überlieferungen aus. Oder sie imaginieren andere Machtverhältnisse und konstruieren alternative Erzählungen.

Kuratiert von Kerryn Greenberg, Freie Kuratorin und Co-Direktorin New Curators

The Struggle of Memory Part 1: 19.4. – 3.10.2023
The Struggle of Memory Part 2: 20.10.2023 – 11.3.2024

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Der erste Teil der Ausstellung The Struggle of Memory versammelt Kunstwerke, die auf unterschiedliche Weise untersuchen, wie der Körper Erfahrungen wahrnimmt, verarbeitet, speichert und wieder abruft. Viele Künstler*innen beschäftigen sich mit der Kluft zwischen persönlichen und offiziellen Geschichten von Vertreibung und Verlust geht. Sie arbeiten mit Fragmenten und Spuren der Geschichte, spielen mit Wiederholungen und Bildern, zeigen die Bedeutung der Sprache für Erinnerung und Widerstand, wie sie uns durch alle Zeiten erreicht. Sie ermutigen uns, alle unsere Sinne einzusetzen, um mehr zu erfahren und uns zu erinnern. Sie untersuchen die Verschiebungen zwischen Fakten und Fiktion, stellen Verbindungen zur Vergangenheit her, um die Leerstellen und Erinnerungslücken zu füllen, die die Kolonialgeschichte hinterlassen hat.


Die Künstler*innen

Anawana Haloba erforscht die Fragilität von Sprache, Kultur und Identität und untersucht die Verbindungslinien zwischen Menschen über den Atlantik hinweg. Berni Searle zeigt Stereotypen rassistischen Denkens auf. Sie beschäftigt sich mit dem Gewürzhandel der Kolonien und seiner engen Verbindung mit der Sklaverei und der schwierigen Identitätsfindung in Südafrika nach dem Ende der Apartheid. Kara Walker greift auf die Berichte von Sklaven zurück. In ihren mit Sexualität und Gewalt aufgeladene Silhouetten verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Samuel Fosso erforscht in seinen Selbstporträts, wie Identität entsteht, und stellt vor der Kamera traumatische Erlebnisse nach, um die Vergangenheit zu verarbeiten. Mohamed Camara spielt in seinen Aufnahmen mit Schatten und schafft geheimnisvolle, poetische Szenerien, die im Kontrast zu den gängigen Bildern von Afrika stehen, die Armut und Gewalt in den Vordergrund stellen. Lebohang Kganye erzählt in einer Serie von nur scheinbar unzusammenhängenden Bildern die Geschichte ihrer Familie. Toyin Ojih Odutola und Wangechi Mutu untersuchen die Haut als Ort der Erinnerung, indem sie sie mit Spuren, Markierungen und Fragmenten überziehen und zeigen damit, wie komplex Identität ist. Mikhael Subotzky untersucht die Diskrepanz zwischen offiziellen Narrativen und persönlichen Erinnerungen und zeigt, wie komplex und schwierig der Prozess des Erinnerns ist.

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Die Ausstellung „The Struggle of Memory“ im PalaisPopulaire beschäftigt sich mit der Frage:  Wie verändert sich die Erinnerung von Menschen, wenn ihre Kultur von einem anderen Volk zerstört wird?

„The Struggle of Memory“ ist Englisch und bedeutet „Der Kampf der Erinnerung“. Der 1. Teil der Ausstellung ist vom 19. April bis 3. Oktober 2023 zu sehen. Der 2. Teil wird ab dem 20. Oktober 2023 zu sehen sein.

Das Thema der Ausstellung

Jede Gesellschaft entwickelt sich beständig weiter. Dafür muss sie ihre Vergangenheit kennen. Wenn Menschen verstehen, woher ihr Verständnis der Welt und ihre Traditionen kommen, können sie besser mit den Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft umgehen. Nur so schaffen sie es, als Gesellschaft zusammenzuhalten.

Der geschichtliche Hintergrund der Ausstellung

Im 19. Jahrhundert haben Europäer die afrikanischen Völker überfallen und unterworfen. Das nennt man Kolonialisierung. Die Europäer hielten die afrikanische Kultur für wertlos und zerstörten sie. Außerdem verkauften sie afrikanische Menschen als Sklav*innen in ferne Länder. So verloren diese Menschen und ihre Kinder den Zugang zur Kultur und Geschichte und zu den Traditionen ihres eigenen Volkes.
In vielen Museen der westlichen Welt sind afrikanische Kunstwerke zu sehen. Die yeigenischen Kolonialisten haben sie damals aus Afrika gestohlen. Diese Kunstwerke zeigen, wie rücksichtslos und brutal die Europäer mit der Kultur und den Menschen in Afrika umgegangen sind.
Im Jahr 1980 hat der tschechische Schriftsteller Milan Kundera ein Buch veröffentlicht, das weltweit bekannt wurde. Es heißt „Das Buch vom Lachen und Vergessen“. Darin schreibt er:

„Will man Völker liquidieren [das bedeutet: zerstören], … nimmt man ihnen zuerst das Gedächtnis. Man vernichtet ihre Bücher, ihre Bildung, ihre Geschichte. Und irgendwer schreibt ihnen andere Bücher, gibt ihnen eine andere Bildung und erfindet ihnen eine neue Geschichte. Das Volk beginnt langsam zu vergessen, was es war und was es ist. Die Welt rundum vergisst es noch schneller.“

Die künstlerische Aufarbeitung der Geschichte

Heute versuchen viele Menschen in Afrika und Europa, die Erinnerungen an die afrikanische Kultur wiederherzustellen. Manche Künstler*innen wollen die kulturelle Identität, also das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Kultur, auch neu erfinden. Sie sehen sich alte Fotos und Dokumente von afrikanischen Familien an. Dabei finden sie persönliche Geschichten und fast vergessene Erinnerungen. Oder sie stellen sich vor, wie die Macht unter den Völkern anders verteilt sein könnte. Dabei entwickeln sie manchmal ihre eigene Version der Geschichte.

Die Kunstwerke in der Ausstellung

Im 1. Teil der Ausstellung werden Kunstwerke gezeigt, die sich mit der Frage beschäftigen: Wie verarbeitet ein Mensch bestimmte Erfahrungen und erinnert sich an sie? Dafür zeigt das PalaisPopulaire Kunstwerke aus der Sammlung Deutsche Bank. Die Deutsche Bank hat diese Kunstwerke in den letzten 10 Jahren gekauft. Außerdem wurden für die Ausstellung Kunstwerke aus anderen Sammlungen ausgeliehen.

Die Arbeitsweise der Künstler*innen

Wenn Menschen aus ihrer Heimat vertrieben oder wenn ihnen etwas Wichtiges weggenommen wurde, dann haben sie persönliche Erinnerungen daran. Manchmal haben diese Erinnerungen aber Lücken. Manchmal unterscheiden sich die persönlichen Erinnerungen von der offiziellen Geschichte über die Vertreibung und den Verlust.
Mit diesen Unterschieden beschäftigen sich die Künstler*innen in der Ausstellung: Sie arbeiten mit bestimmten Ausschnitten aus der Geschichte, zeigen Bilder und welche Bedeutung die Sprache für die Erinnerung hat. Sie ermutigen uns, immer mit allen unseren Sinnen zu leben. So erfahren wir mehr und erinnern uns besser. Außerdem untersuchen die Künstler*innen, warum sich manche Berichte über bestimmte Ereignisse von persönlichen Erinnerungen unterscheiden. Zudem stellen sie Verbindungen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart her.

Die Auswahl der Kunstwerke für die Ausstellung

Kerryn Greenberg hat die Kunstwerke für die Ausstellung zusammengestellt. Sie ist Freie Kuratorin, also die Macherin von Ausstellungen, und Co-Direktorin des Ausbildungsprogramms New Curators.
Auch der nigerianische Kurator Okwui Enwezor hat für die Ausstellung Kunstwerke internationaler Künstler*innen zusammengestellt. Er war Mitglied des Global Art Advisory Council der Deutschen Bank und war verantwortlich für die sehr erfolgreiche documenta 11 im Jahr 2002. Er ist 2019 gestorben.

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Der Text in Einfacher Sprache ist von capito Berlin. 3 Personen aus unterschiedlichen Zielgruppen haben die Verständlichkeit geprüft.

Zeige Inhalt von Part 2 / 20.10.2023 – 11.3.2024

Zu den Künstler*innen des zweiten Teils von The Struggle of Memory, der am 20.10.2023 eröffnet, gehören Sammy Baloji, Yto Barrada, Anawana Haloba, Lubaina Himid, Paulo Nazareth, Zohra Opoku, Jo Ractliffe, Dineo Seshee Bopape, Alberta Whittle und Wong Hoy Cheong.

Audioguide und mehr im

DigitalGuide DigitalGuide
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FreeTour

Samstag, 15 Uhr (auf Englisch)
Sonntag, 15 Uhr (auf Deutsch)

Katalog of ${esc.q}The Struggle of Memory${esc.q}

Ausstellungskatalog

ab Juni verfügbar
online und im ShopPopulaire


Videos


ActivityCards The Struggle of Memory

Activity Cards für unsere jüngsten Gäste!

Entdeckt das Kunstwerke aus der Ausstellung The Struggle of Memory durch Zeichnen und Malen! Fragt am Museumscounter nach den Karten oder druckt sie euch für zu Hause aus:

Activity Card #1 Activity Card #2


Bild 1: Samuel Fosso, Self Portrait, 2000 und 70’s Lifestyle series, 1975-78, Installationsansicht PalaisPopulaire 2023 © Samuel Fosso, courtesy Jean Marc Patras, Paris, Foto: Mathias Schormann
Bild 2: Anawana Haloba, Close-Up, 2013-16, Installationsansicht PalaisPopulaire 2023 © Courtesy the artist, Foto: Mathias Schormann
Bild 3: Wangechi Mutu, Homeward Bound, 2009/10, Howl, 2006 und The Original Nine Daughters, 2012, Installationsansicht PalaisPopulaire 2023 © Wangechi Mutu, Foto: Mathias Schormann
Bild 4: Mikhael Subotzky, Moses and Griffiths, 2012, Installationsansicht PalaisPopulaire 2023 © Mikhael Subotzky, Foto: Mathias Schormann