Die gestreifte Säule: Eine Hommage an Freddi Mamani Silvestres neoandinen Architekturstil

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Standort Galerie 3
Künstlerin

La Chola Poblete

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Copyright © La Chola Poblete
Kunstwerknummer AW308

Die in verschiedenen Rot- und Orangetönen gestreifte Säule an der Stirnseite der Ausstellungshalle ist eine Hommage an die Architektur von Freddy Mamani Silvestre. Der 1971 geborene Mamani ist Bauingenieur und als Architekt Autodidakt. In den letzten zwanzig Jahren hat er im bolivianischen El Alto, westlich der Hauptstadt La Paz, einen ganz eigenen, neo-andinen Architekturstil begründet.

El Alto ist eine schnell gewachsene, nicht geplante Stadt, in der fast eine Million Menschen leben, mehrheitlich Aymara, eine Volksgruppe, die zusammen mit den Quechua mehr als die Hälfte der bolivianischen Bevölkerung ausmacht. Ganze Stadtviertel werden von armen Indigenen Siedler*innen bewohnt, die vom Land stammen und nur ein paar hundert Meter weiter unten im weißeren und reicheren La Paz arbeiten. El Alto wuchs schnell, als nach der verheerenden Dürre 1983 und der Schließung der Minen 1985 ganze Gemeinden hierher zogen. Gleichzeitig bildete sich eine neue Aymara-Bourgeoisie, die in Mamanis Büro den richtigen Ansprechpartner fand. Die Aymara, schon vor der Ankunft der Spanier einflussreiche Händler, haben die Globalisierung angenommen und einen florierenden Handel mit Waren aus China aufgebaut.

Mamani, der selbst aus armen Verhältnissen stammt, Aymara ist und als einfacher Maurer angefangen hat, hatte keine Berührungsängste mit der Wissenschaft: „Ich versuche, meiner Stadt eine Identität zu geben, indem ich Elemente unserer ursprünglichen Kultur wieder aufnehme“, sagt er. Für die Fassaden und Innenräume der meist sechsstöckigen Gebäude greift Mamani traditionelle Muster von Textilien, Keramiken und architektonischen Überresten auf. Stilelemente sind das Andenkreuz, die diagonale Aneinanderreihung von Flächen, die Duplizität und der Kreis. Große Glasflächen werden in Fassaden mit plastischen Kompositionen aus Stuckleisten eingefasst und in Komplementärfarben wie Orange/Grün und Blau/Gelb getaucht. Für die traditionelle Architektur ist dies eine aggressive Farbpalette, aber ein willkommener Kontrast zu der aus rohen Ziegeln erbauten Stadt, hinter der sich eine monotone, kalte und trockene Hochebene erstreckt.

Die Hauptattraktion sind die Tanzsäle über den Geschäftsräumen im Erdgeschoss. Für die in die Städte abwandernden Indigenen Gemeinschaften sind die Tanzsäle eine Möglichkeit, ihre Traditionen aufrechtzuerhalten, und Mamani hat eine Architektur entwickelt, die ihren Bedürfnissen entspricht: großzügige, zweistöckige Räume mit Bars, Tischen zum Essen und Biertrinken, Tanzflächen und Bühnen für zwei oder drei Live-Bands. Andere Räume sind mit Spiegeln und unzähligen kleinen Lichtern ausgestattet, die in Wände und Decken eingelassen sind, opulente Hängelampen aus China mit Hunderten von Glühbirnen. Die Korridore sind mit bestickten Säulen und Balustraden in verschiedenen Farben und Stilen geschmückt. Über den Festsälen befinden sich Mietwohnungen und ganz oben die Penthouse-Wohnungen der Eigentümer*innen, die oft einem Bauernhaus nachempfunden sind und über einen Dachgarten verfügen.

Es ist nicht nur die Entwicklung einer eigenständigen Indigenen Kunst und Kultur, die La Chola Poblete mit Freddy Mamami verbindet. Es ist auch der Klassenkampf, der Aufstieg aus der Armut, die Außenseiterposition, die der erfolgreiche autodidaktische Architekt verkörpert. Während Mamanis Baukunst in den Medien große internationale Beachtung findet, stößt er in der akademischen Welt der etablierten Architektur mit seinen kräftigen Farben und extravaganten Entwürfen auf wenig Gegenliebe; selbst sein innovativer Gebäudetypus mit gemischter Nutzung wird nur zurückhaltend anerkannt.

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