In Mendoza, wo La Chola Poblete aufwuchs, gibt es zahlreiche Marienkulte, Feste und Prozessionen für heilige Jungfrauen, die als Schutzpatroninnen verehrt werden. Die Künstlerin greift dieses Motiv unter neuen Vorzeichen auf. Für sie sind „Jungfrauen, diese heiligen Opfer, die unter der Last der Geschichte erdrückt werden, heute nur noch Kennzeichen einer Kultur in der Krise“. Ihre Venus papas lays steht auf einem Holzgestell. Oberkörper und Gesicht sind aus Brotteig geformt, den die Künstlerin gebacken hat. Das Brot weckt Assoziationen von materieller und spiritueller Nahrung. Es lässt an die biblische Überlieferung denken, in der Jesus beim letzten Abendmahl das Brot bricht und zu seinen Jüngern spricht, „nehmt, das ist mein Leib“. Zu diesem christlichen Gleichnis entwickelt La Cholas Skulptur einen Gegenentwurf. Die Haut ihrer Jungfrau ist mit Brandflecken übersät, was an Folterung und Hexenverbrennung denken lässt. Zugleich hat der Brotkörper etwas Sinnliches und Magisches, er weist auf Geschmack, Erhitzung, alchemistische Prozesse des Backens und der Schöpfung hin.
Der von Metalllanzen durchbohrte Körper hat keinen Unterleib, nur ein Gerüst. Das ist eine Anspielung auf die „virgen para vestir“, die „Jungfrau zum Ankleiden“, die seit dem 16. Jahrhundert in Spanien bei Prozessionen auf Votivwagen gestellt wurde. Während der Oberkörper kunstvoll ausgearbeitet ist, wird das Holzuntergestell für jeden Anlass neu eingekleidet. Der karge Unterbau, der keinen anderen Zweck hat, als keusch verhüllt zu werden, beraubt die Frauenfigur ihrer Sexualität. Zugleich steht er für Offenheit. Er deutet an, dass auch das Geschlecht so wandelbar sein könnte wie die Verkleidung.
La Cholas hybride Heiligenfigur, in der sich Katholizismus, Indigene Spiritualität und queeres Denken verbinden, ist kein Opfer. Von Speeren durchbohrt, erscheint sie unbesiegbar. Immer wieder tauchen in der Ausstellung die mit Symbolen der Anden und Monogrammen verzierten Lanzen auf, die auch an Folterinstrumente der Inquisition erinnern. Bei La Chola steht die Schutzheilige auf einem Berg aus Kartoffelchips. Die vor 8.000 Jahren von den Andenvölkern domestizierte Kartoffel, die durch Kolonialherren exportiert wurde, steht für den Raub von Saatgut, Kultur und Tradition dieses Gewächses, das in den westlichen Industrienationen zum wichtigsten Grundnahrungsmittel wurde. In Form von Chips ist es ein auf die Bedürfnisse der Konsument*innen zugeschnittenes Industrieprodukt, das in Nord- und Südamerika unterschiedlich dick geschnitten wird.
Informationen
La Chola Poblete
Maria & papas lays, 2023
(Maria & Kartoffelchips)
In Mendoza, wo La Chola Poblete aufwuchs, gibt es zahlreiche Marienkulte, Feste und Prozessionen für heilige Jungfrauen, die als Schutzpatroninnen verehrt werden. Die Künstlerin greift dieses Motiv unter neuen Vorzeichen auf. Für sie sind „Jungfrauen, diese heiligen Opfer, die unter der Last der Geschichte erdrückt werden, heute nur noch Kennzeichen einer Kultur in der Krise“. Ihre Venus papas lays steht auf einem Holzgestell. Oberkörper und Gesicht sind aus Brotteig geformt, den die Künstlerin gebacken hat. Das Brot weckt Assoziationen von materieller und spiritueller Nahrung. Es lässt an die biblische Überlieferung denken, in der Jesus beim letzten Abendmahl das Brot bricht und zu seinen Jüngern spricht, „nehmt, das ist mein Leib“. Zu diesem christlichen Gleichnis entwickelt La Cholas Skulptur einen Gegenentwurf. Die Haut ihrer Jungfrau ist mit Brandflecken übersät, was an Folterung und Hexenverbrennung denken lässt. Zugleich hat der Brotkörper etwas Sinnliches und Magisches, er weist auf Geschmack, Erhitzung, alchemistische Prozesse des Backens und der Schöpfung hin.
Der von Metalllanzen durchbohrte Körper hat keinen Unterleib, nur ein Gerüst. Das ist eine Anspielung auf die „virgen para vestir“, die „Jungfrau zum Ankleiden“, die seit dem 16. Jahrhundert in Spanien bei Prozessionen auf Votivwagen gestellt wurde. Während der Oberkörper kunstvoll ausgearbeitet ist, wird das Holzuntergestell für jeden Anlass neu eingekleidet. Der karge Unterbau, der keinen anderen Zweck hat, als keusch verhüllt zu werden, beraubt die Frauenfigur ihrer Sexualität. Zugleich steht er für Offenheit. Er deutet an, dass auch das Geschlecht so wandelbar sein könnte wie die Verkleidung.
La Cholas hybride Heiligenfigur, in der sich Katholizismus, Indigene Spiritualität und queeres Denken verbinden, ist kein Opfer. Von Speeren durchbohrt, erscheint sie unbesiegbar. Immer wieder tauchen in der Ausstellung die mit Symbolen der Anden und Monogrammen verzierten Lanzen auf, die auch an Folterinstrumente der Inquisition erinnern. Bei La Chola steht die Schutzheilige auf einem Berg aus Kartoffelchips. Die vor 8.000 Jahren von den Andenvölkern domestizierte Kartoffel, die durch Kolonialherren exportiert wurde, steht für den Raub von Saatgut, Kultur und Tradition dieses Gewächses, das in den westlichen Industrienationen zum wichtigsten Grundnahrungsmittel wurde. In Form von Chips ist es ein auf die Bedürfnisse der Konsument*innen zugeschnittenes Industrieprodukt, das in Nord- und Südamerika unterschiedlich dick geschnitten wird.
Weitere Werke aus dieser Ausstellung
La Chola Poblete: Guaymallén
Pop-Ikone, heilige Jungfrau, Pachamama: La Cholas Vírgenes- Aquarelle
Hardrock, Rolinga, Ballroom: La Chola Pobletes Banner-Installation
Materialität, Metaphern und Gegensätze
Mythen und Madonnen: Inszenierte Fotografien
Spiel mit kulturellen Erwartungen: La Chola Poblete und die Nasca-Linien
Venus Cacharos, 2023
Die gestreifte Säule: Eine Hommage an Freddi Mamani Silvestres neoandinen Architekturstil